Schlagwort: Brandenburg an der Havel

Susanne, geboren 1978
in Eisleben

Foto SusanneS
„Freiheit hat ihren Preis.“

Kurzbiografie

Susanne wird 1978 in Eisleben geboren. Sie verbringt eine behütete und glückliche Kindheit in einem kirchlich geprägten Umfeld. Die Eltern sind Mitglieder der evangelischen Kirche und schicken sie in den Kindergarten der Gemeinde, in die Christenlehre, in den Musikunterricht und den Kinderchor der Kirche. Sie geht außerdem in die Musikschule, um Geige zu lernen. Fast das ganze Leben fand in der Kirche statt, sagt sie: Aufwachsen, Freunde, Freizeit. Die Eltern behalten ihren Unmut über das politische System außerhalb des kirchlichen Umfeldes für sich, sie passen sich an. Auch Susanne: Sie ist bei den Jungen Pionieren, wird dort mehrmals Gruppenratsvorsitzende. Ihre ältere Schwester hingegen beschließt, sich der Jugendweihe zu verweigern. Die Klassenlehrerin rät ihr, ohne zu drohen, davon ab, wenn sie die EOS besuchen möchte. Susanne weiß, dass sie diesen Mut nicht gehabt hätte.

Susannes Familie hat viele Verwandte und Bekannte in Westdeutschland. Sie unterstützen die Familie materiell und führen mit den Eltern politische Diskussionen. Dass sich 1989 etwas ändert, bemerkt Susanne am Verhalten ihrer Eltern. Zum ersten Mal nutzen diese bei der Kommunalwahl die Wahlkabine und machen den Wahlzettel ungültig. Am 1. Mai gehen sie nicht zur offiziellen Parade. Auch das Massaker an den Demonstranten gegen die kommunistische Regierung in China, von dem die Familie im Sommerurlaub 1989 aus dem Fernsehen erfährt, besprechen die Eltern offen mit ihren Kindern.

Die Friedliche Revolution erlebt Susanne in der Gemeinde mit: die Friedensgebete, die Demonstrationen, den Aufbruch der Menschen und den Umbruch der politischen Strukturen nach dem Mauerfall. Einmal spricht ihre Mutter während eines Friedensgebetes eine Fürbitte für die Kinder in der DDR, die in der Schule zum eigenständigen Denken befähigt werden sollen. Susanne übermalt und korrigiert die zehn Gebote der Jungpioniere in ihrem Pionierausweis mit einem roten Filzstift. Über den Wegfall des Unterrichts am Sonnabend jubelt sie. Doch vor der ersten Fahrt in den Westen, bekommt sie solche Angst vor dem Grenzübertritt, dass sie krank wird und zu Hause bleiben muss.

Als im März 1990 die ersten freien Wahlen in der DDR bevorstehen, wird inzwischen auch in der Klasse heftig über die politischen Parteien gestritten, unter denen Susanne die SPD bevorzugt, viele andere Mitschüler die CDU.

Das Ende der DDR erlebt Susanne als das Ende ihrer behüteten Kindheit und als Beginn einer zum Teil unglücklichen Jugend. Ihre beiden engsten Freunde ziehen bald in den Westen. Ihr Vater ist oft nicht zu Hause, er arbeitet im Westen auf Montage. Später versucht er es mit einer eigenen Firma, aber die geht Pleite. Die Mutter ist nun die Hauptverdienende der Familie.

Zu schnell habe sie erwachsen werden müssen, sagt Susanne heute. Die vielen Wahlmöglichkeiten hätten sie gelähmt, statt sie zu beflügeln. In ihren Augen ist der Systemwechsel ein Glück, aber die Freiheit hatte ihren Preis.

Susanne lebt heute in Brandenburg an der Havel.

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    Marius, geboren 1980
    in Weimar

    Foto MariusK
    „Die Demokratische Revolution von 1989 zeigt, dass es möglich ist, die Welt zu verändern.“

    Kurzbiografie

    Marius wird 1980 in Weimar geboren und wächst in Neuruppin auf. Er durchläuft als Kleinkind die staatliche Kinderkrippe, einen christlichen Kindergarten und wird nach der Einschulung bei den Jungpionieren aufgenommen. Zu den Erinnerungen an seine Kindheit gehört, sich draußen mit den Nachbarskindern herumzutreiben, Buden zu bauen und Urlaube bei der Oma in Rostock.

    Im Herbst 1989 ist Marius neun Jahre alt. Seine Erinnerungen an diese Zeit sind bruchstückhaft. Die Demonstrationen und Friedensgebete gehören dazu. Der Vater beteiligt sich im neu gegründeten Neuen Forum, druckt Flugblätter auf einer Ormig-Maschine. Die Oma dagegen will nicht verstehen, warum von DDR-Flüchtlingen die Rede ist, denn wovor hätten die DDR-Bürger denn Grund zu fliehen? Marius wünscht sich in diesen Tagen eine Maus als Haustier und ahnt nicht, dass seine Mutter gerade ganz andere Sorgen hat: Der Vater war „zur Klärung eines Sachverhalts“ abgeholt worden.

    An die Nacht des Mauerfalls erinnert sich Marius nicht mehr, aber an die erste Fahrt nach Westberlin kurz darauf zur Großtante in Spandau. Dass er seine Tante dort unbedingt in den Supermarkt begleiten will, kann sie nicht verstehen. In der Schule gibt es zu der Zeit Ärger für eine Mitschülerin: Die Eltern hatten sie krankgemeldet, tatsächlich aber ist die Familie des Mädchens in den Westen gefahren. Und auch Marius erhält eine Rüge, als er sich über das Pionierhalstuch eines Klassenkameraden lustig macht.

    In den 1990er-Jahren beobachtet Marius, wie seine Eltern versuchen, berufliche Stabilität zu erlangen. Der Vater geht in die Stadtverwaltung und die Mutter hat immer wieder wechselnde Stellen. Auch an Umschulungen nimmt sie teil. Die Familie kauft ein Haus und übernimmt sich damit finanziell. Am Ende schaffen sie es aber doch, über die Runden zu kommen.

    Für Marius sind die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung geprägt vom Erwachsenwerden, vom Wechsel ans Evangelische Gymnasium und davon, dass sich Jugendliche nun „rechts“ oder „links“ positionieren und dabei aneinandergeraten.

    Sein frühester Berufswunsch ist Schriftsteller. Nach dem Abitur entscheidet er sich dann für ein Studium der Neueren und Neuesten Geschichte in Berlin.

    Als Jugendlicher macht Marius die Erfahrung, dass es auch nach dem Ende der DDR staatliche Versuche gibt, sich über demokratische Spielregeln hinwegzusetzen. Diesmal ist es die Bundeswehr, die gegen den Widerstand einer ganzen Region versucht, die Kyritz-Ruppiner Heide weiter militärisch zu nutzen. Der Erfolg der Proteste gegen das „Bombodrom“ und die Demokratische Revolution von 1989 sind für ihn eine Ermutigung, dass sich die Welt verändern lässt.

    Heute lebt und arbeitet Marius in Brandenburg an der Havel.

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