Seminareinheit: Analyse eines Fotoalbums

Seminareinheit

Analyse eines Fotoalbums

 

Dauer: 120 min
Technische Voraussetzung: Internetzugang, Laptops oder Tablets
Arbeitsmaterial:

Einführungstexte:

 

Kurzbeschreibung

Thema

Ausgangspunkt dieser Seminareinheit ist das private Fotoalbum des Zeitzeugen Marek: eine chronologisch geordnete Sammlung von Bildmaterial aus den Jahren 1979 bis 1999, ergänzt durch handschriftliche Notizen, Zeitungsausschnitten u. v. m., die über zwanzig Jahre die Lebensstationen des Zeitzeugen dokumentieren. Ziel dieser Seminareinheit ist es, die Eigenschaften privater Alltagsfotografien im Allgemeinen und die Charakteristika von Fotoalben als Medium im Besonderen zu untersuchen. Diese typische Form der Bildsammlung soll dabei kritisch auf ihre Wesensmerkmale hin befragt werden, bspw. nach der Absicht der Sammel- und Präsentationsform oder nach dem Inhalt und dem alltagsgeschichtlichen Erkenntniswert.

Didaktische Hinweise

Zum Auftakt der Seminareinheit kann der Seminareinstieg „Stimmungsbilder“ durchgeführt werden. Das Seminarangebot bietet einen fotobasierten Zugang zu bspw. den Themen „private Alltagsfotografie“ und „Kindheit und Erwachsenwerden in zwei politischen Systemen“. Es erfasst thematisch den langen Zeitraum des politischen Umbruchs von der späten DDR ab Mitte der 1980er-Jahre bis weit in die Transformationszeit der 1990er-Jahre. Im Anschluss kann die Seminareinheit mit der Seminareinheit „Zeitzeug:innengespräche führen“ kombiniert werden. Vorkenntnisse der Teilnehmer:innen zum politischen Umbruch von 1989/90 sind nicht nötig, aber von Vorteil. Zur Vertiefung einer Auseinandersetzung mit Alltagsfotografie eignet sich die Seminareinheit „Flimmerstunde“.

Lernziele

Die Teilnehmer:innen

  • lernen, die wichtigsten Wesensmerkmale des Mediums Fotoalbum kennen.
  • lernen, das Medium Fotoalbum als Sammlung für private Alltagsfotografie kritisch zu befragen.
  • lernen, Fotografien zu betrachten und zu analysieren.
  • lernen, dass Fotografien historische Quellen sind, über die sich historische Zusammenhänge erkennen, analysieren und auswerten lassen.
  • erweitern ihr Verständnis der Umbruchserfahrungen der Dritten Generation Ostdeutschland.
  • reflektieren ihren eigenen Umgang mit Fotografie.

Ablaufvorschlag

Vorbereitung
 

Der:Die Referent:in breitet eine zufällige Auswahl von 15 Postkarten aus dem Bildungsmaterial “Postkarten-Set! vor den Teilnehmer:innen aus. Gegebenenfalls sind die Teilnehmer:innen bereits durch den Seminareinstieg „Stimmungsbilder“ mit den Motiven vertraut.

Arbeitsphase 1
  1. Der:Die Referent:in bittet die Teilnehmer:innen darum, aus den Motiven allgemeine Merkmale privater Alltagsfotografie abzuleiten.
  2. Der:Die Referentin trägt die Ergebnisse zusammen und visualisiert sie, so dass sie im Verlauf des Seminars ergänzt werden können.

Arbeitsphase 2
 

  1. Der:Die Referent:in stellt den Teilnehmer:innen die Fotografien aus Mareks Fotoalbum sowie das Arbeitsblatt „Mareks Album“ zur Verfügung. Im Idealfall steht jedem:jeder dafür ein Computerarbeitsplatz zur Verfügung oder die Teilnehmer:innen können das Album auf eigenen Laptops oder Tablets betrachten.
  2. Die Teilnehmer:innen „blättern“ im Fotoalbum und notieren sich ihre ersten Eindrücke.
  3. Der:Die Referent:in bittet einige Teilnehmer:innen, ihre ersten Eindrücke mit der Gruppe zu teilen.
  4. Die Teilnehmer:innen bilden nun Arbeitsgruppen mit 3 – 5 Personen.
  5. Die Arbeitsgruppen widmen sich arbeitsteilig den Fragen auf ihren Arbeitsblättern:

 

Fragen Mögliche Antworten
Welche Merkmale weist das Fotoalbum von Marek auf? Geht dabei auf u. a. auf den Enstehungszeitraum, den Aufbau und Umfang, die Gestaltung etc. ein.

 

–        chronologisch geordnetes Bildmaterial aus den Jahren 1979 – 1999, 47 Seiten

–        Stets werden Ort, Monat und Jahr vermerkt.

–        Alle Seiten des Albums werden beklebt.

–        Die Fotos haben unterschiedliche Formate, Größen und wurden z. T. zurechtgeschnitten.

–        Fotos werden oft eng gesetzt, um ein Thema auf einer Seite unterzubringen.

–        Fotos werden ergänzt durch handschriftliche Kommentare und Notizen (witzig, augenzwinkernd, ironisch), kindliche Basteleien und Texte, Briefe, Zeitungsartikel, Urkunden und Alltagsgegenstände wie Geld oder Rechnungen.

–        Zur Dokumentation von Mareks Lebensweg.

–        Von Anfang an wurden sowohl Schwarzweißfotos und Farbfotos genutzt.

Was kennzeichnet insgesamt die Fotografien in Mareks Album? Wählt anschließend 3 Motive aus. Geht  darauf ein

–        welche Bildelemente auf den Bildern zu sehen sind (Personen oder Tiere, Gebäude oder eine Landschaft, Gegenstände oder Symbole),

–        welche Situation oder Handlung evtl. zum Ausdruck gebracht wurden (das ist nicht bei allen Bildquellen der Fall) und wie sie zu beschreiben sind,

–        welche Perspektive der:die Fotograf:in eingenommen hat und welchen Ausschnitt das Bild zeigt. Wirkt es eventuell inszeniert oder gestellt?

–        Marek steht im Mittelpunkt aller Fotografien.

–        Auf den Babyfotos ist oft eine erwachsene Person zu sehen, die ihn hält oder sich um ihn kümmert.

–        Die Motive spiegeln sowohl Alltagsmomente (auf denen dann auch das Wohnumfeld der Familie zu erkennen ist) als auch besondere Anlässe wie Feiern, Familienbesuche oder Ausflüge und Urlaube (letztere

werden bspw. durch das Posieren vor dem Auto, vor Sehenswürdigkeiten, Eingangsschildern etc. deutlich).

–        Oft wird Marek im Zusammenspiel mit Tieren gezeigt.

–        Zu den häufig abgebildeten Situationen gehören Essen, Baden (zuhause, im Pool oder im Schwimmbad), Spielen, Interaktion mit Tieren, Entdecken (raus- oder irgendwo hineinschauen), allein oder mit anderen gemeinsam posieren, im Urlaub sein.

–        Die Mehrzahl der Fotos fängt vor allem den Blick der abgebildeten Personen ein.

Was kann man über die Autorenschaft des Fotoalbums vermuten? Wer hat es mit welchem Ziel und mit welchen Mitteln angelegt und gestaltet? Zu welchem Zeitpunkt wurde es angelegt?

 

–        Die Autorenschaft verrät sich auf der ersten Seite: „Unser Kind“ und auf der letzten Seite: Dort haben „Mutti & Vater“ „für unseren Marek“ unterschrieben.

–        Aus dem Album selbst heraus wird nicht deutlich, wann es angelegt wurde. Die Vielzahl der unterschiedlichen verwendeten Materialien legen nahe, dass das Album bereits im frühen Kindesalter von Marek angelegt wurde und dann im Laufe der Jahre gewachsen ist. Die fast lückenlose Chronologie und die stringente Gestaltung allerdings lassen vermuten, dass das Album retrospektiv angelegt wurde.

Welche historischen Zusammenhänge lassen sich anhand der Fotografien im Album erkennen – im Allgemeinen sowie konkret in den drei Motiven, die ihr ausgewählt habt? Begründet eure Antwort. –        Die Fotografien umfassen den Zeitraum 1979 – 1999.

–        Die Fotos geben einen Eindruck vom Lebensstandard, den Kleidungsweisen, dem Freizeitverhalten und den Konsummöglichkeiten bzw. -verhalten ihrer jeweiligen Zeit am Bsp. der Familie von Marek.

–        Die Fotos im Zeitraum 1980 – 1985 wurden in Addis Abeba (Äthiopien) und in Dessau & Schwerin (DDR) aufgenommen und spiegeln das Aufwachsen von Marek, zeigen ihn mit Freunden und der Gruppe im Botschaftskindergarten in Addis Abeba und mit seiner Familie in der DDR.

–        Die wichtigste Frage hierzu ist, wieso die Familie in Äthiopien lebte und in welchem Verhältnis die beiden Länder zueinanderstanden – um Rückschlüsse auf diese Lebensphase der Familie ziehen zu können.

–        Die Fotos von 1985 – 1986 spiegeln den Start ins Schulleben und Ferienzeiten. Zeithistorische Hinweise erhält man bspw. aus hinzugefügten Dokumenten wie die Rechnung für Fotos vom Tierpark in Berlin.

–        Zeitungsartikel belegen die sportliche Entwicklung von Marek – in nebendran oder auf der Rückseite stehenden Artikeln lassen sich zeitgenössische Nachrichten und der Tenor der Berichterstattung herauslesen.

–        Der politische Umbruch spiegelt sich in den Fotos und Zeitungsartikeln ab 1990, z. B: Im Zeitungsartikel „Lufra-Küken“ wird über die Teilnahme von Betriebssportgruppen aus der DDR in der Bundesrepublik berichtet und dass eine Umwandlung in einen Verein geplant ist. / Eine Postkarte sendet am Tag vor der Wiedervereinigung einen „letzten Gruß aus der DDR“. / Ein Aufkleber macht Wahlwerbung für die Partei PDS. / Die Tageszeitung „Die Freiheit“ verkündet ihre Umbenennung in „Mitteldeutsche Zeitung“. / Die Familie fährt 1991 ins westliche Ausland in den Urlaub: nach Dänemark

–        Ein Brief an den Hauptsponsor verweist auf die neue wirtschaftliche Realität. / Ein T-Shirt mit der Aufschrift „Born in GDR“ verweist auf Mareks Geburtsland DDR, dass es so zum Zeitpunkt des Fotos nicht mehr gab.

Stellt Vermutungen an, welche Gegenstände, Symbole oder sonstigen Details auf den Seiten des Fotoalbums oder in den einzelnen Fotografien könnten für Menschen unverständlich sein, die in der Zeit, in der das Album angelegt wurde, noch nicht gelebt haben. –        Abkürzungen, wie z. B. DTSB der DDR, PDS

–        die Figuren des Kinderfernsehprogramms der DDR

–        die äthiopische Banknote

–        Punktenachweis für gutes Betragen in den Ferien

–        die Urkunde von der Kinder- und Jugendspartakiade

–        die politische Werbung/ Losung „Wir sind ein Volk 1:1 PDS“

–        Ernesto „Che“ Guevara

  1. Im Anschluss der Übung ordnet der:die Referent:in das Berichtete im Hinblick auf die Eigenschaften von privater Alltagsfotografie und privaten Fotoalben ein:

a) Alltagsfotografien:

  • sind Amateurfotografien, die in der Regel aus persönlichen Gründen entstehen,
  • sind in der Regel nicht zur Veröffentlichung gedacht, sondern für den privaten Gebrauch,
  • haben keinen Anspruch auf Perfektion in Bildkomposition, Körperhaltung oder Ausleuchtung,
  • bieten dafür Unmittelbarkeit, (manchmal) Spontanität, Authentizität, sowie persönliches Erleben und Wahrnehmen.

b) In Fotoalben:

  • konzentriert sich die Darstellung zumeist auf positive und schöne Aspekte,
  • sind die Bilder und das eingeklebte Material heterogen. In ihrer Anordnung und Montage wirken sie zusammen und bilden auf einer oder mehreren Seiten ein neues gemeinsames Narrativ über eine einfache Abfolge von Einzelbildern hinaus.

Arbeitsphase 3
  1. Der:Die Referent:in befragt die Teilnehmer:innen danach, welche zeitgenössischen Referenzen zu Mareks Fotoalbum sie kennen und welche sie ggf. benutzen:
    Frage 6: Besitzt ihr selbst auch ein Fotoalbum, das eure Kindheit und Jugend dokumentiert? Oder nutzt ihr digitale Plattformen, die einen ähnlichen Zweck erfüllen?
    Tauscht euch aus, zeigt euch ggf. eure digitalen Alben und findet Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der unterschiedlichen Formen von privaten Fotosammlungen.
  2. Der:Die Referent:in befragt die Teilnehmer:innen zu ihren Fotografien:
Fragen mögliche Antworten
Was sind typische Merkmale eurer Fotografien und Fotogalerien oder Fotoalben? Fotos werden – egal ob analog oder digital in der Regel wenig „kuratiert“ aufgehoben und erst für eine Schau/zur Präsentation wird daraus eine Auswahl getroffen und diese in eine Ordnung gebracht.
Fotoalben werden auch heute so zusammengestellt, dass die Fotos eine Auswahl schöner/positiver Eindrücke, Momente, Begegnungen widerspiegeln.
Worin bestehen die Ähnlichkeiten und worin die Unterschiede zu Mareks
Fotoalbum?
Durch die digitale Fotografie hat sich die Anzahl der Fotografien aber enorm erhöht, aus denen nun die Auswahl zu treffen ist.
Online-Plattformen wie Webseiten, Instagram oder andere Kanäle sind für einen größeren, potentiell unendlichen Betrachter:innenkreis zugänglich. Die Fotografien zeigen vor allem den:die Fotograf:in selbst – Selfies.
Durch die Selbstaufnahme mit dem Smartphon bestimmt das Hochformat den Bildaufbau. Häufiger als bei der privaten Fotografie im Familienkreis, wie sie in Familienfotoalben zu sehen sind, entstehen diese Fotos zur Selbstdarstellung/-inszenierung.
  1. Der:Die Referent:in regt die Teilnehmer:innen an, ein eigenes Fotoalbum (analog oder digital) anzulegen und durch eigene Notizen zu ergänzen. In einigen Jahren können sie darin blättern oder scrollen und staunen, wie schnell sich alles verändert hat.