Kurzbiografie
Im Alter von sechs Jahren wird er 1988 eingeschult und lernt den Schulalltag in der DDR kennen. Als er in der zweiten Klasse ist, bricht die DDR zusammen. Die Veränderungen sind für ihn als Kind sehr schwer zu verstehen. Erst als Erwachsener kann er seine Erinnerungen besser einordnen. Zum Beispiel eine Schülerdemonstration für den Musiklehrer, den die Schule entließ, weil er für die Stasi gearbeitet hatte. Für die Schüler ist er der coolste Lehrer von allen und sie wollen ihn zurück. Was die Stasi ist, wissen sie einfach noch nicht.
Als die Grenzen geöffnet werden, ist Daniel sieben Jahre alt. Er erinnert sich nur bruchstückhaft an die Zeit. Beispielsweise an den ersten Besuch der Familie in Westberlin am Übergang Bernauer Straße. Es gefällt ihm, was es da alles zu kaufen gibt. Bald schon fühlt er sich seinen Eltern voraus, wenn er ihnen all die technischen Neuerungen erklärt, die man nun bekommt. Dass die Veränderungen vor allem eine gesellschaftspolitische Seite haben, versteht er als Kind noch nicht. Zuhause wird darüber nicht geredet, denn die Eltern hatten sich mit dem Staat arrangiert, waren Mitglieder der SED und haben in staatsnahen Berufen gearbeitet. Am 1. Mai 1989 besuchten sie noch die große Maiparade und auch zu den Wahlen waren sie pflichtbewusst gegangen. Daniel erlebt sie in der Zeit des Systemumbruchs sehr angespannt, vor allem seine Mutter, die ihre Anstellung bei der Außenhandelsbank der DDR verliert. Bald schon sind beide Elternteile wieder erwerbstätig und der Lebensstandard der Familie steigt. Der Trabant wird durch einen Lada ersetzt, später fährt man einen Opel Astra. In den Urlaub geht es nun in den Schwarzwald oder nach Österreich. Zuhause empfängt man viele neue Fernsehsender über eine Satellitenantenne, besitzt einen Computer und einen Kleingarten. 1998 zieht die Familie weiter an den Berliner Stadtrand nach Pankow-Buchholz. Der materielle Wohlstand steigt stetig. Die Zufriedenheit mit den neuen gesellschaftlichen Verhältnissen nimmt aber nur langsam zu. Daniel erinnert sich, dass man in seinem Umfeld die Westdeutschen, die nun in den Osten kamen, häufig als arrogant empfand. Man hatte Angst, dass sie den Ostdeutschen Grundstücke wegnehmen oder Arbeitsplätze zerstören würden.
Die Zeit nach der Wiedervereinigung erlebt Daniel als Jugendlicher in Ostberlin als größtmögliche Freiheit. Er probiert sich aus, mal in der Hip-Hop-Skater-Szene, mal bei den Punks. Er kennt aber auch die Drogen-Szene Berlins, bekommt mit, wie Jugendliche daran sterben. Er selbst nimmt nie Drogen. In der Schule sind für ihn mehr und mehr die Zeiten zwischen den Unterrichtsstunden wichtig. Da arbeitet er an der Schülerzeitung mit und merkt, dass man auch in einer Demokratie gegen Widerstände und Bevormundung kämpfen muss. Es ist der westdeutsche Direktor, der den Verkauf einer Ausgabe der Zeitung verbietet.
Wenn er an die DDR denkt, möchte er seine persönlichen Erinnerungen an das einfache Leben auf dem Land, das heruntergekommene Ostberlin und die Erfahrung von gegenseitiger Solidarität der Menschen bewahren. Gleichzeitig versteht er heute, dass die DDR ein autoritäres System mit weitreichender politischer und sozialer Kontrolle war. In Gesprächen mit seinen Eltern, aber auch Freunden aus dem Westen merkt er immer wieder, wie kompliziert dies alles ist. Er schätzt heute seine Möglichkeiten, eigene Entscheidungen frei treffen, selbst Verantwortung übernehmen sowie die vielen Annehmlichkeiten der Konsumgesellschaft nutzen zu können. Gleichzeitig behält er sich eine kritische Haltung gegenüber dem aktuellen politischen System. Er findet es zum Beispiel erschreckend, dass als Reaktion auf die Sicherheitslage heute in Deutschland wieder mehr Überwachung von Menschen gefordert wird. Er dachte, das sei mit der DDR untergegangen.
Daniel lebt heute im Landkreis Barnim und arbeitet in Berlin.
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